Laut Univ.-Prof. Lachmayer benachteiligt das Gesetz "klassische" Taxi-Unternehmen unverhältnismäßig - WKÖ-Leitner überlegt Gang zum VfGH

 

Das geplante und in letzter Sekunde geänderte Gelegenheitsverkehrsgesetz stößt den heimischen Taxilenkern und -unternehmern sauer auf. "Das ist der Todesstoß für die Branche. Die Zeichen stehen auf Sturm, wir werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren", so Erwin Leitner, Taxi-Obmann in der Wirtschaftskammer. Unterstützung bekommt er dabei nun auch von Rechtsexperten Konrad Lachmayer, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Sigmund Freud Privatuniversität. Laut Lachmayer hält das Gelegenheitsverkehrsgesetz einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 

"Die kürzlich präsentierte Novelle 2020 zum Gelegenheitsverkehrsgesetz schafft innerhalb des bestehenden zusammengeführten Gewerbes zwei unterschiedliche Ausübungsarten mit jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen: einerseits das "klassische" Taxi, das am Standplatz steht oder durch Heranwinken geordert wird und wo die Preisermittlung zwecks Taxameter passiert, andererseits jenes Taxi, dessen Leistungen im Weg eines Kommunikationsdienstes (also durch Bestellung per App, Telefon, etc) gebucht werden und das weder festgesetzten Tarifen unterliegt noch Fahrpreisanzeiger einsetzt", so Lachmayer.  

Gefahr von Lohndumping oder Preiswucher 

Laut dem renommierten Experten entfällt damit gleichzeitig auch eine Beförderungspflicht. "Und an die Stelle der Tarifbindung tritt die Bindung an einen Preiskorridor, der vom Landeshauptmann mittels Verordnung festgesetzt werden kann. Sollte eine derartige Festsetzung von Mindestpreisen unterbleiben, sieht der Gesetzesentwurf einen subsidiären Mindestpreis vor, der bei 3 bzw 5 Euro liegt, wodurch die Gefahr des Lohndumpings entsteht." Wird kein Höchstpreis festgelegt, können für die Kunden laut Lachmayer wucherische Preisen nicht ausgeschlossen werden.  

WKÖ-Fachverbandsobmann Leitner sieht im Entfall der Beförderungspflicht "in einem Aufwasch die Funktion der Taxis als Garant für die Mobilität vernichtet" – insbesondere in Ballungszentren. "Tatsächlich bedeutet daher das nicht durchdachte Gesetz, das letztlich die verpflichtende Mobilität, die durch die Taxis und den Tarif gewährleistet war, verloren geht", so Leitner. 

 "Der Novelle ist eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung innerhalb des Personenbeförderungsgewerbes zu attestieren."
Konrad Lachmayer, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht 

Das Fazit des Experten Lachmayer: "Der Novelle ist eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung innerhalb des Personenbeförderungsgewerbes zu attestieren." Denn während die Anbieter mit Buchungsmöglichkeiten über Kommunikationsdienste ihren Fahrpreis frei festsetzen können, bleibt das "klassische" Taxi-Unternehmen an die Tarife gebunden. Damit hat es keine Möglichkeit, konkurrenzfähige Leistungen anzubieten. "Die geplante Reform des Gelegenheitsverkehrsgesetzes führt zu extremen Wettbewerbsverzerrungen. Die Tarifbindung erweist sich daher als unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit der "klassischen" Taxi-Unternehmen", führt Lachmayer aus.  

"Unser Forderung war immer, dass der Gesetzgeber für alle Anbieter von Beförderungsleistungen dieselben Rahmenbedingungen schafft", ergänzt Leitner. Laut Lachmayer muss der Gesetzgeber alle konkurrierenden Unternehmer gleich behandeln. Lachmayer: "Gerade bei der Tarifpflicht sind dabei aber Maßnahmen vorzusehen, um systematische Missbräuche und das Aushöhlen von Qualitätsstandards zu verhindern." 

Lachmayer kritisiert zudem, dass das Gesetz keine entsprechenden Übergangsfristen vorgesehen hat und  den "klassischen" Taxi-Unternehmen dadurch die Möglichkeit genommen wird, entsprechende Kommunikationsinfrastrukturen aufzubauen, um auch bei geänderten Marktbedingungen konkurrenzfähig zu bleiben. Conclusio: "Die vorliegende Regierungsvorlage benachteiligt "klassische" Taxi-Unternehmen in unsachlicher und unverhältnismäßiger Weise, womit sich die geplante Novelle als verfassungswidrig erweist". Falls notwendig, wird die Branche den Gang zum Verfassungsgerichtshof nicht scheuen, so Leitner abschließend. (PWK576/DFS)

news.wko.at  26.11.2020